Berlin und seine Bauherren | W. Schäche / D. Schmitz / D. Pessier
Wolfgang Schäche, Daniel Ralf Schmitz, David Pessier: Berlin und seine Bauherren. Als die Hauptstadt Weltstadt wurde, jovis Verlag, Berlin 2017
ISBN 978-3-86859-486-7, 48 €
Der anspruchsvolle Titel "Berlin und seine Bauherren" soll sich wohl bewusst an die ruhmreiche Veröffentlichung "Berlin und seine Bauten" anlehnen, die der Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin seit 1877 inzwischen in drei Auflagen bearbeitet hat und die bereits ein unverzichtbares Handbuch ist. Die jetzt von Wolfgang Schäche u. a. vorgelegte Eingrenzung des wichtigen Themenfeldes "Bauherr" auf sechs Bauunternehmer als für das 19. Jahrhundert repräsentativ, ist, was nicht verschwiegen werden darf, in der Form monographischer Einzeldarstellungen eine überaus knappe Auswahl und nicht zuletzt eine Eingrenzung des wichtigen Themas. Unbezweifelbar ist auf Grund der ausgezeichneten Bebilderung die Bedeutung der Veröffentlichung als eine Art Nachschlagewerk zur Architektur des 19. Jahrhunderts in Berlin. Bei den als beispielhaft erachteten Unternehmern, den "Bauherren", handelt es sich um Carl August Heinrich Sommer (1801-1873), Johann Anton Wilhelm von Carstenn-Lichterfelde (1822-1896), Carl Heinrich Wilhelm Conrad (1822-1899), Julius Wilhelm Walther (1857-1917), Georg Haberland (1861-1933) und Heinrich Mendelssohn (1881-1959). Sommer gehört in die Regierungszeit Friedrich Wilhelms IV., die beiden folgenden Vertreter in die gegen 1860 anbrechende Gründerzeit, die mit dem sich auf das Spekulationsgeschäft und damit auf das Schicksal der "Bauherren" erheblich auswirkenden Börsenkrach 1873 ein abruptes Ende nahm. Es folgten mit der Phase der wirtschaftlichen Erholung seit den späten achtziger Jahren Walther ("Architekt, Bauherrn und Spekulant") und Haberland ("König der Berliner Bauspekulanten"), während Heinrich Mendelssohn für die wenigen Jahre der Weimarer Republik steht. Das Aktionsfeld von Sommer wurde die Bebauung des Königsplatzes (Platz der Republik) und seines Umfeldes in der verlängerten Dorotheenstraße mit einer Bebauung vornehmer Villen und Stadthäuser, ausgelöst mit dem gesamtstädtischen Plan Peter Joseph Lennés für die Schmuck- und Grenzzüge von 1840. Die Tätigkeiten von Carstenn und Conrad spielten sich an der Peripherie der historischen Berliner Altstadt im Spannungsfeld der von Max Schasler 1868 verfassten Streitschrift "Villa oder Mietkaserne" ab, das bis in das späte 19. Jahrhundert mit der weiterhin propagierten Villa kaum an Wirkungskraft verlor, selbst wenn die Innenstadtbebauung - s. Wilhelm Walther - für das Baugeschäft zunehmend an Attraktivität gewann. Mit einem eigenen ideologischen Anspruch trat dann Heinrich Mendelssohn auf, der in der Gefolgschaft des "Neuen Bauens" nichts Geringeres als ein vom Aufbruch in eine andere Zeit geprägtes "Neues Berlin" propagierte. Die von Wolfgang Schäche vorgelegte stellvertretende Auswahl in Gestalt lediglich monographischer Darstellungen macht dankenswerterweise auf das noch weiter zu erschließende, umfangreiche Thema "Berlin und seine Bauherren" aufmerksam, dessen eigentliche Bedeutung sich aus dem Spannungsfeld zwischen dem Bauherrn und seinem Architekten ergibt. - Dazu ein prominentes Beispiel ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert: die Ablehnung der Schinkelschen Entwürfe für das Palais Unter den Linden durch den Prinzen Wilhelm (später Kaiser Wilhelm I.), denn der Staatsarchitekt ließ die Überschreitung der zur Verfügung stehenden Bausumme befürchten und überdies beanspruchte das Prinzenpaar wohl nicht zuletzt wegen der Herkunft der aus Weimar kommenden Prinzessin ein seiner Lebenswelt entsprechendes bauliches Umfeld, das die Schinkelschen Entwürfe als eine dem künftigen Monarchen angemessene Art Staatsarchitektur nicht erkennen ließen. Das Thema "Bauherr" vollzog sich hier zwischen der künstlerischen Gestaltungskraft des Architekten, der Finanzierung sowie dem Bildungsanspruch des Bauherrn (und seiner Ehefrau)!
Prof. Helmut Engel