Malkunst im 19. Jahrhundert | A. Wesenberg / B. Verwiebe / R. Freyberger
Angelika Wesenberg, Birgit Verwiebe und Regina Freyberger (Hrsg.): Malkunst im 19. Jahrhundert. Die Sammlung der Nationalgalerie, 2 Bände
Michael Imhof Verlag, Petersberg 2017
ISBN: 978-3-7319-0458-8, 199 €
Die den Titel prägende Bezeichnung "Malkunst" soll mutmaßlich andeuten, dass dem Benutzer mit diesen beiden, nach Künstlern alphabetisch geordneten Bänden zwar ein sachlich angelegter Katalog über den gesamten Gemäldebestand der Nationalgalerie an die Hand gegeben werden soll, dass darüber hinaus aber auch ein über den Berliner Bestand ausgreifendes Kompendium zur Malerei des 19. Jahrhunderts in Form eines Grundlagenwerkes entstanden ist. Dieses scheidet den Bestand nicht nach Werturteilen, sondern alle Werke gehören dem Tempel der "Malkunst" an. Der Katalog folgt vordergründig dem traditionell vorgegebenen Typus eines solchen Werkes, wie er auch dem Museumsbesucher in Gestalt des schon in mehreren Auflagen erschienenen aktuellen Ausstellungskatalogs - nur für die in der Nationalgalerie ausgestellten Werke - zur Verfügung steht: "Das XIX. Jahrhundert. Katalog der ausgestellten Werke". Der 2017 erschienene Gesamtkatalog eröffnet jetzt vielfache Möglichkeiten in der Weiterbearbeitung zur "Malkunst", auch der in Berlin sich in diesem Jahrhundert entwickelnden "Malkunst", die als Gesamtübersicht bislang auf die umfangreiche Arbeit von Irmgard Wirth angewiesen ist. Die monographische Darstellung eines Malers vergegenwärtigt der Katalog vorzüglich in Bild und Text; er lässt auch das Bild von Künstlerfamilien entstehen wie das der Begas, beginnend mit dem 1794 geborenen Carl Begas (d. Ä.), mit Adalbert Begas, Oscar Begas, Karl Begas (d. J.) und endend mit dem Bildhauer Reinhold Begas. Die Vertiefung in die Kenntnisse von Einschnitten in der Entwicklung der Malerei ist aufschlussreich zu lesen – etwa in der Gattung der Geschichtsmalerei, so ausgelöst durch die 1842 in der Berliner Akademie-Ausstellung gezeigten monumentalen Geschichtsbilder der belgischen Geschichtsmaler, von denen Èdouard de Bièfves "Der Kompromiß des niederländischen Adels im Jahre 1566" als verkleinerte Kopie 1849 Eingang in die Sammlung Wilhelm Wageners fand und als dessen Vermächtnis zum Gründungsbestand der Nationalgalerie gehört. Die seit dem Barock im 19. Jahrhundert immer noch vorherrschende Klassifizierung der Malerei führt neben der Geschichtsmalerei zur Gattung des "Genres", im Katalog durch die Familie Meyerheim vertreten: durch Friedrich Eduard Meyerheim, geboren 1808 in Danzig, Paul Friedrich Meyerheim (1842-1915) und Wilhelm Alexander Meyerheim, geboren 1815. Dem Benutzer des Grundlagenwerkes muss es angesichts einer heute wissenschaftlich vorherrschenden Betrachtung des Malers als einer Künstlerpersönlichkeit überlassen bleiben, die alte, seit dem Barock bis in das 19. Jahrhundert herrschende Kategorisierung der Malerei stillschweigend den monographischen Abhandlungen zu hinterlegen, sofern sie in den Erläuterungstexten nicht erwähnt werden. Das Berliner Adressbuch von 1859 teilte die in Berlin lebenden Maler in mehr als 22 Spezialgebiete ein, darunter Architektur-, Blumen-, Geschichts-, Landschafts-, Portrait-, Porzellan-, Tier- und Schlachtenmaler, nicht alle Gattungen mit dem Anspruch auf künstlerisches Schaffen wie die Stuben-, Muster-, Rouleaux- oder Wappenmaler. Den höchsten Rang nahm in langer Tradition die Geschichtsmalerei ein, denn sie umfasse die den anderen Gattungen eigenen Merkmale, auch beispielsweise die Landschaftsmalerei oder das Portrait. So mag man Georg Bleibtreu, Wilhelm Camphausen, Wilhelm Kaulbach oder nicht zuletzt Anton von Werner unter solchen Werkeigenschaften eines Geschichts- und/oder Schlachtenmalers betrachten. Das Werk von Adolph Menzel ist im Katalog mit einem umfangreichen Bestand vertreten, der bereits die Zeitgebundenheit solcher überlieferter Kategorien verrät.
Prof. Helmut Engel