Martin Gropius | A. Körte
Arnold Körte: Martin Gropius. Leben und Werk eines Berliner Architekten 1824-1880
Lukas Verlag für Kunst und Geistesgeschichte, Berlin 2013
ISBN 978-3-86732-080-1, 70 €
Die überragende Stellung von Schinkel, Lenné und Stüler für das Baugeschehen in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts ist mit umfangreichen Werkdokumentationen unterlegt. Mit der Arbeit Arno Körtes über Martin Gropius liegt nun zu dessen Lebenswerk ein dem Rang dieses Architekten in Umfang und Ausstattung angemessener Werkkatalog einschließlich der Familiengeschichte vor. Der Katalog zeichnet sich durch eine strenge, mit Quellen gestützte Systematik in der Darstellung wie durch eine ausgezeichnete Bebilderung aus. Damit ist ein Grundlagenwerk entstanden, das die Anfänge der Gropiusforschung durch Manfred Klinkott fortsetzt und eine vertieft weiterführende Beschäftigung mit Martin Gropius möglich macht. In Berlin hat Gropius trotz aller Kriegsverluste einen nicht unbedeutenden Bestand an Bauten hinterlassen, unter denen heute in der Öffentlichkeit der „Gropius-Bau“ mutmaßlich der bekannteste ist.
Gropius wurde 1824 geboren und war damit Generationsgenosse einer nicht unbedeutenden Anzahl von aus der Bauakademie herkommender Architekten, die mit der Hinwendung zur Hochrenaissance ein neues Kapitel der Berliner Baugeschichte zu schreiben begannen. So setzte – fast symbolträchtig - die Bautätigkeit von Gropius mit dem Landhaus Heese 1858 ein, als Friedrich Wilhelm IV. krankheitsbedingt die Regierungsgeschäfte an seinen Bruder Wilhelm abgeben musste. Mit diesem Übergang in der Herrschaft war auch die Ära des baukünstlerisch umtriebigen „Künstler-Königs“ beendet.
Dieser Wechsel auf dem Thron scheint sich wie eine Erlösung auf die Architektenschaft ausgewirkt zu haben. Folgt man "Berlin und seine Bauten" von 1877 (T. 1, S. 93), setzte in den sechziger Jahren und damit mit der beginnenden Gründerzeit ein Epochenwechsel ein, ausgelöst durch "das Bedürfnis nach einer Erweiterung der architektonischen Formen und Motive, innerhalb deren die ältere Schule Schinkel’s sich bewegte, (..)". Folge waren "eine Vertiefung in das Wesen für Formen zu Neugestaltungen", die Übernahme der "kräftigen Formen italienischer und französischer Hochrenaissance, sowie die malerischen Motive der deutschen Renaissance". In diesen Umbruch war das baukünstlerische Werk von Gropius eingebettet.
Die baukünstlerische Qualität der Entwurfshandschrift bekundet sich bereits zu Beginn der Tätigkeit als Privatarchitekt, auch in seinem 1862 entstandenen Entwurf zum Wettbewerb für die Thomaskirche. Der Beitrag von Gropius mit der überaus kennzeichnenden Losung "Ratio" ging vom Typus der Predigtkirche aus, wobei der Vergleich mit den wenig älteren Predigtkirchen wie der Matthäuskirche im Tiergarten oder der Markus-Kirche in der Stralauer Vorstadt sowie dem Idealentwurf von Knoblauch den Vergleichsmaßstab abgeben. Die Markus-Kirche, die als achteckiger Zentralbau mit außen angefügtem Chor, der den Altar vom Predigtraum abzusetzen begann, wird eine Art Vorstufe für den Entwurf von Gropius gebildet haben. Das Schaubild des Innenraumes der Thomas-Kirche zeigt die Ausrichtung des Predigtraumes auf die knapp unterhalb der Empore in einer Bildwand angeordnete Kanzel, hinterfangen vom Orgelprospekt mit "Orgelchor", vor der Kanzel vorgezogen ein Altar für den Ablauf des Gottesdienstes. Das Austeilen des Abendmahls – für die Taufe war eine eigene Kapelle vorgesehen - sollte eigenständig gegenüber dem Predigtgottesdienst geschehen. Die baukünstlerische Qualität des Entwurfes zeigt sich im räumlichen Verhältnis zwischen Predigt- und Sakramentsgottesdienst, wobei die Erschließung der Kirche durch einen Quergang entlang der Trennung zwischen den beiden Bereichen deutlich macht, dass mit der gleichwertigen Erreichbarkeit jedem eine gleiche Bedeutung zugemessen wurde.
Das Landhaus Heese von 1858 zeigt mit der Erschließung durch einen Mittelflur eine überaus klare Disposition der Innenräume. Gropius betrat die Bühne der Berliner Architekturwelt als gefestigter Baukünstler.
Die gewichtige Arbeit von Arnold Körte erlaubt nun, nicht nur die Entwicklung von Gropius als Baukünstler zu verfolgen, sondern auch zu einer Bewertung zu kommen, welcher Rang Gropius unter den Berliner Architekten der Gründerzeit zuzuschreiben ist. Jedenfalls nahm er unter ihnen einen, wenn nicht den Spitzenplatz ein. Das mit Heino Schmieden zusammen geführte Büro überdauerte kennzeichnenderweise den Tod von Martin Gropius 1880, ein Beleg für die Schaffenskraft der Arbeitsgemeinschaft.
Prof. Helmut Engel