Die Häuser der Bölschestraße in Berlin-Friedrichshagen. | Giesche / Lange
Aribert Giesche / Karl-Ludwig Lange: Die Häuser der Bölschestraße in Berlin-Friedrichshagen.
Eine Dokumentation 1753-2015.
Lukas Verlag, Berlin 2018 (Schriften der Landesgeschicht-lichen Vereinigung für die Mark Brandenburg Band 9)
ISBN 978-3-86732-270-6, 39,80 €
Aribert Giesche hat mit seinem "Häuserbuch der Altstadt Köpenick" von 2010 bereits den erheblichen Nutzwert eines solchen Quellenwerkes deutlich gemacht. Jetzt legt er mit der Friedrichshagener Bölschestraße als der historisch bedeutsamen Hauptachse des heutigen Köpenicker Stadtteils eine vergleichbare Arbeit wieder als "Häuserbuch" vor, die sich gegenüber 2010 durch die systematische Wiedergabe des im Bauaktenarchiv des Bezirks Treptow-Köpenick noch erhaltenen Bauentwürfe unterscheidet. Neu ist auch eine fotografische Dokumentation aller vorhandener Vorderhäuser, entstanden in zwei Zeitebenen: 1990 und 2003, fotografiert von Karl-Ludwig Lange. Insgesamt fünf Register ermöglichen die Suche nach Familiennamen, Eigentümern, Architekten, Bauhandwerkern und Baufirmen sowie nach den zum Teil geänderten Hausnummern. Eine kurze Einleitung zur "Entwicklung Friedrichhagens seit 1753", dem Jahr der friderizianischen Kolonisten-Gründung, führt in die Merkmale der noch nicht einmal zweihundertjährigen Ortsgeschichte ein, wobei eine gezeichnete tabellarische Übersicht die insgesamt fünf Phasen der baulichen Entwicklung von der Erstbebauung an vor Augen führt. Von besonderer entwicklungsgeschichtlicher Bedeutung ist dabei die mit den Gründerjahren erfolgte Annäherung an die baugeschichtliche Entwicklung Berlins. Das Quellenwerk zu Friedrichshagen weist Bauten auf, die in Berlin längst Abbruch und Kriegszerstörung zum Opfer gefallen sind, dem Ort kommt somit innerhalb Berlins eine absolute Sonderstellung zu. Soweit bekannt sind die beiden Arbeiten Giesches für Berlin einmalig, kein anderer Bezirk kann zwei solche Leistungen vorweisen, die eigentlich am Anfang jeder Inventarisation von Baudenkmalen stehen müssten. Dass die heute von den Landesdenkmalämtern der Bundesrepublik Deutschland anstelle der historischen, aber heute so gut wie nicht mehr bearbeiteten klassischen sog. Lang-Inventarbände von der "Kunstdenkmälertopographie" abgelöst wird, die in keiner Weise von solchem Quellenmaterial ausgehen kann, ist ebenso begreiflich wie bedauerlich. Dass die die Quellen erschließende Grundlagenforschung für die Erkenntnis nicht nur der architektonischen Entwicklung bedeutsam ist, sondern ebenso für die Aufschlüsse über den sozialen Stand der Bauherren sowie des Bauhandwerks, die Grundstücksspekulation, die Entwicklung der Wohnkultur von dem ärmlichen Wohnungsgrundriss mit Stube, Kammer, Küche und Stall der Gründungszeit bis hin zu einem dem Vorort einer Metropole angemessenen Lebensstandard des späteren 19. Jahrhunderts wird nur allzu deutlich. Die Publikation ist auch im Wortsinn "schwergewichtig". Deshalb ist zu bedauern, dass zwischen dem Quellen- und dem Foto-Teil keine Querverweise eingearbeitet sind. Die im Original farbig angelegten Bauzeichnungen lassen bauliche Veränderungen des Bestandes schnell erkennen; dass die Farbe im Druck sicherlich aus Kostengründen entfallen ist, muss man akzeptieren, selbst wenn das Lesen der Zeichnungen dadurch erschwert wird. Die "Bölsche" ist in gewisser Weise "prominent", doch darf dieser Vorrang nicht dazu verleiten, den ganzen Ortsteil Friedrichshagen als Bau- und Kulturlandschaft zu vergessen. Die gleiche Bedeutung wie die Bölschestraße besitzen auch ihre Nebenstraßen, die folglich eine gleiche Quellenforschung verdienen.
Prof. Helmut Engel